Indigene Völker und ihre Rechte
Weltweit gehören zwischen 350 und 440 Millionen Menschen rund 6.000 indigenen Völkern an. Dies entspricht vier bis fünf Prozent der Weltbevölkerung. In der Regel sind Angehörige heutiger indigener Völker die Nachfahren der ersten Bewohner*innen eines Gebietes. Sie verfügen über eigene Sprachen, Religionen, politische und soziale Institutionen sowie über spezifische kulturell definierte Modelle der Lebensführung.
Überall auf der Welt erleben indigene Völker die Folgen der historischen Kolonisierung und Invasion ihrer Territorien und werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Kulturen, Identitäten und Lebensweisen diskriminiert. Sie zählen zu den politisch, wirtschaftlich und sozial stark benachteiligten und leicht verletzbaren Bevölkerungsgruppen. Die Durchsetzung ihrer international anerkannten Menschenrechte gehört zu einer der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Konvention Nr. 169 der Internationalen Organisation für Arbeit (ILO) ist das einzige internationale Rechtssystem zum Schutz von indigenen Rechten.
Indigene Rechte und Klimaschutz
Indigene Völker spielen eine Schlüsselrolle für den Schutz der biologischen Vielfalt und des globalen Klimas. Diese Rolle hat ihre Anliegen in den letzten Jahren zu einem politisch hoch aktuellen Thema werden lassen. In Ländern wie Brasilien stellen ihre Gebiete zurzeit den besten Schutz gegen die Zerstörung der Regenwälder dar, wie Satellitenaufnahmen eindeutig belegen.
Der Erhalt der Wälder, insbesondere der tropischen Regenwälder, als wichtige Kohlenstoffsenke kann nur gelingen, wenn die Nutzungsrechte den indigenen und lokalen Gemeinschaften übertragen werden. Die „verhinderte Entwaldung“ ist die kostengünstigste Maßnahme in Sachen Klimaschutz – dies gilt als wissenschaftlich belegt.
Die Sicherung der Landtitel indigener Völker, und der damit direkt zusammenhängende Erhalt der Regenwälder, ist damit ein aktiver Beitrag zum Schutz des globalen Klimas.
Die ILO 169 als ein Instrument zum Schutz indigener Rechte
Die ILO 169 Konvention von 1989 erkennt die eigenständigen Merkmale und Lebensentwürfe eines indigenen Volkes an. Die insgesamt 44 Artikel sollen indigenen Völkern eine Entwicklung ermöglichen, die ihren jeweiligen eigenen Prioritäten als indigenes Volk Rechnung trägt. Herzstück der ILO-Konvention 169 sind die Konsultations- und Partizipationsverfahren in den Artikeln 6 und 7, um Beteiligung und Mitsprache indigener Völker an Projekten zu gewährleisten, die sie betreffen.
Die festgelegten Rechte der indigenen Völker sind keine Privilegien oder Sonderrechte, stattdessen sind es allgemein geltende Menschenrechte, die an die besondere kulturelle und soziale Situation dieser Völker angepasst sind.
Ratifizierung der ILO 169 durch die BRD
Es ist völkerrechtlich relevant und sinnvoll, die ILO-169 zu ratifizieren, da vielfältige Beziehungen zwischen indigenen Völkern und der Bundesrepublik Deutschland existieren.
Die Bundesrepublik Deutschland nimmt für sich in Anspruch, an internationalen Prozessen zur völkerrechtlichen Standardsetzung maßgeblich beteiligt zu sein. Sie sollte daher daran interessiert sein, die unter ihrer Mitwirkung zustande gekommenen Standards zu ratifizieren und ihnen damit zu größerer internationaler Anerkennung zu verhelfen. Nicht zuletzt würde sich die Bundesrepublik zu einem internationalen Kontrollsystem bekennen und dieses zur Durchsetzung der Rechte indigener Völker nutzen können.
Dies erkannten Staaten, die wie die Niederlande, Spanien oder Luxemburg unter vergleichbaren Bedingungen die ILO-Konvention 169 ratifiziert haben, ebenfalls an. Jeder Staat, der die ILO 169 ratifiziert, stärkt eben auch auf internationaler Ebene die Rechte indigener Gemeinschaften und ihre darin verbrieften Landrechte.
Die Ratifizierung weltweit
Die ILO hat in der Vergangenheit bereits an ihre Mitgliedstaaten appelliert, die ILO-Konvention 169 auch dann zu ratifizieren, wenn in ihren Grenzen keine Indigenen Völker leben. Bisher wurde die Konvention primär von lateinamerikanischen Staaten ratifiziert, mittlerweile befinden sich darunter auch fünf europäische Länder, wie beispielsweise Spanien und zuletzt Luxemburg im Jahr 2018. Insgesamt haben bisher 23 Staaten ratifiziert, wie sie national umgesetzt wird, gestaltet sich sehr unterschiedlich, da die Konvention dabei viel Spielraum lässt.
Neben humanitären und solidarischen Gründen ließe sich damit eine Basis für eine neue und partizipative Entwicklungspolitik legen. Gerade politisch und wirtschaftlich gewichtige Industriestaaten wie die Bundesrepublik Deutschland sind aufgefordert, mit der Ratifizierung diesen universell gültigen Normenkatalog zu stützen, der indigenen Völkern global vor allem den Zugang zu rechtsstaatlichen Garantien ermöglicht. Dies wäre nicht zuletzt ein Beitrag zur Bewältigung globaler Risiken – etwa in Fragen der Ökologie, des nachhaltigen Wirtschaftens und der Friedenssicherung.