Gran Chaco (Argentinien, Bolivien, Paraguay)

Die Region

Der Rio Pilcomayo entspringt in den Anden Boliviens und versickert in der Ebene des Gran Chaco, wo er die Grenze zwischen Argentinien und Paraguay bildet. Im Oberlauf lebt andine, bäuerliche Bevölkerung, in der Vorgebirgslandschaft (Präkordillere; Departamento Tarija, Bolivien) befindet sich das Wohngebiet der Guaraníes, und um Unterlauf in der Ebene des Gran Chaco leben neben Guaraníes vor allem Weenhayek, Tapiete, Wichi, Chorote, Nivaklé, Toba und Pilagá. Insbesondere der Gran Chaco ist sehr dünn besiedelt (in Paraguay 0,5 Einwohner/km² mit starker Konzentration in urbanen Siedlungen). In diesem semi-ariden Gebiet leben die indigenen Völker, Bevölkerungsmehrheit, heute in Konkurrenz mit kleinbäuerlicher Bevölkerung und extensiven Viehzuchtbetrieben um die Nutzung der natürlichen Ressourcen.

Politische und wirtschaftliche Charakteristika

Alle drei Anrainerstaaten haben demokratische Verfassungen. Bolivien und Paraguay befinden sich in einem Dezentralisierungsprozeß, die argentinischen Provinzen haben große Autonomie gegenüber der nationalen Regierung mit eigenen Verfassungen und Gesetzgebungskompetenz (z.B. in Landrechtsfragen).

Während sich die subsistenzorientierte indigene Wirtschaft auf Feldbau, Fischfang, Jagen und Sammeln sowie Tagelöhnerarbeiten konzentriert, sind die kapitalkräftigeren, markt- und exportorientierten Wirtschaftbereiche je nach ökologischer Region unterschiedlich: Im Oberlauf des Rio Pilcomayo wird Bergbau betrieben; in der Präkordillere (Departamento Tarija) konzentriert sich die bolivianische Öl- und Erdgasförderung, während im Unterlauf extensive Viehwirtschaft vorherrscht.

Direkte Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und der fraglichen Region bestehen im Energiesektor (Öl- und Gasförderung), verschiedene europäische Unternehmen sind aktiv beteiligt. Weiterhin gibt es eine Reihe von bilateralen und multilateralen Projekten der finanziellen und technischen Zusammenarbeit mit deutscher und europäischer Beteiligung.

Politische und rechtliche Stellung der betroffenen Indigenen

Alle drei Staaten haben die ILO-Konvention Nr. 169 ratifiziert. In den nationalen Verfassungen sind indigene Rechte verankert. In der praktischen Umsetzung gibt es jedoch erhebliche Defizite. Einerseits fehlt der politische Wille, andererseits bieten die regionalen Strukturen kaum Möglichkeiten, den Schutz vor Rechtsübergriffen gegenüber den zuständigen öffentlichen Einrichtungen einzufordern (wie vorgesehen in Artikel 12 der ILO-Konvention). So gibt es weiterhin erhebliche, zum Teil schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen.

Fallbeschreibung

Betroffenes indigenes Volk

Die acht indigenen Völker, welche im unmitelbaren Einzugsgebiet des Rio Pilcomayo im Gran Chaco leben, sind Guaraníes, Weenhayek, Wichi, Chorote, Nivaklé, Toba und Pilagá.

Seit Mitte der 1990er Jahre unterstützt die Europäische Kommission die drei Länder in deren Bemühen um Regulierung und Nutzung des Rio Pilcomayo. Es wurden bereits eine Vielzahl von wissenschaftlichen und technischen Studien angefertigt sowie punktuelle Maßnahmen zur Wasserregulierung durchgeführt. Gegenwärtig unterstützt die EU-Kommission ein Projekt zur Ausarbeitung eines Masterplans für das Pilcomayo-Becken. Eine Beteiligung der indigenen Bevölkerung an der Ausarbeitung dieses Projektes sowie anderer Maßnahmen in der Vergangenheit hat nicht stattgefunden. Gleichzeitig ist sie am unmittelbarsten in ihren Lebensbedingungen von den praktischen Maßnahmen im Rahmen dieser Kooperation betroffen. Als Reaktion auf die Ankündigung des gegenwärtig geförderten Programms haben sich die indigenen Völker zu einer gemeinsamen Kommission verbunden, über die sie ihre Interessen und Forderungen artikulieren. Eine entsprechende Berücksichtigung in der Projektstruktur ist bisher nicht vorgesehen. Eine Reihe von Gemeinschaften ist mit verschiedenen Infrastrukturmaßnahmen (Brücken- und Straßenbau, Kanal- und Staudammbau) konfrontiert und verfügt trotz rechtlicher Grundlagen und jahrzehntelanger Bemühungen nicht über eigene Landrechte. In einem Fall läuft ein Verfahren vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission gegen den argentinischen Staat. Ihm wird vorgeworfen, gegen eine Vielzahl verbriefter Rechte verstoßen zu haben, die sowohl durch die ILO-Konvention Nr. 169, wie auch die Amerikanische und die Allgemeine Menschenrechtskonvention verstoßen.

Vorgefallene Menschenrechtsverletzungen

In diesem Zusammenhang wurden folgende Rechtsnormen verletzt: das Recht auf Leben, auf physische Integrität, auf Gesundheit und Subsistenz, auf Kultur, auf Freiheit der Wohnortwahl, den Schutz der Familie und des Privatlebens, das Recht auf Information.

Verstoß gegen ILO-Konvention

Im Hinblick auf die ILO-Konvention Nr. 169 wurden u.a. folgende Artikel verletzt: Artikel 2,1; 3,2; 4,2; 6,1; 7,1+4; 13,1+2; 14; 15.

Internationale Beteiligung am Protest?

Im Fall der Klage vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission konnte internationale Aufmerksamkeit dazu beitragen, den Prozess einer „friedlichen Lösung“ einzuleiten, der periodisch von der Menschenrechtskommission überwacht wird. Konkrete Ergebnisse liegen allerdings weiterhin nicht vor.

Im Fall des EU-unterstützten Pilcomayo-Projektes half internationale Unterstützung dabei, die zuständige Projektinstanz zu Gesprächen mit der indigenen Kommission zu bewegen. Allerdings ist weiterhin eine adäquate Berücksichtigung indigener Rechte nicht sicher gestellt.

Informationsgrundlage Quellen

  • Carrasco, M. Und Rossi, J., 2003: “Caso 1209: Demanda de Lhaka Honhat contra el Estado Argentino ante la Comisión Interamericana de Derechos Humanos”, In: “Asuntos Indígenas”, Nr. 3/03, S. 32-35, IWGIA, Kopenhagen
  • FUNGIR, 2003: “Los pueblos indígenas de la cuenca del Rio Pilcomayo y el Plan Maestro” (Manuskript), Formosa, Argentinien

Berichterstatter (Organisation und Kontakt)

Dr. Volker von Bremen
Chaco Beirat (Misereor und Brot für die Welt)
e-mail: V.v.Bremen@Link-M.de

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