Land (Basisdaten)
Im Norden Wüste, mediterrane Mitte, gemäßigt feuchtkühler Süden, die Pazifikküste begrenzt das Land im Westen, die Anden im Osten. Gesamtfläche: 756.096 qkm. 15,12 Mio. EW, 75% Mestizen, 13% indigene Gruppen (Aymara im Norden, Rapa Nui auf den Osterinseln), 10% Mapuche, die zur Hälfte in Mittelchile und zur anderen Hälfte in den Städten wohnen, Amtsprache: Spanisch. Indigene Sprachen: Mapudungun, Aymara, Rapa Nui. 77% Katholisch, 13% Protestantisch.
Politische und wirtschaftliche Charakteristika
Seit 1989 präsidiale Demokratie. Regierungskoalition aus einem Mitte-Links Bündnis. Außenhandel trägt zu 54% zum BIP bei. Exportprodukte: Kupfer (37%), Holz, Fisch, Wein, Obst und Gemüse, (25% der Exporte Asien und EU, 20% USA, Lateinamerika). Ausländische Investoren investieren in Verkehrswege, Strom, Telekommunikation, Wasser. Wirtschaftswachstum von ca. 4%. 2003 Assoziationsabkommen mit der EU, seitdem 15% Zuwachs der Handelsbeziehungen EU-Chile. Verbesserung der Terms of Trade und Weltmarktpreise für Chiles Exportprodukte. Deutschland ist innerhalb der EU wichtigster Exportlieferant. Mitglied der Welthandelsorganisaton WTO, des Internationalen Währungsfonds IWF, der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftlichen Zusammenarbeit APEC (2004 Vorsitz), der Wirtschaftlichen Zusammenarbeit für Lateinamerika und der Karibik ECLAC, assoziiertes Mitglied des Mercosur (Binnenmarkt lateinamerikanischer Staaten), Freihandelsabkommen mit: USA und Südkorea. Wirtschaftliche Nutzung natürlicher Ressourcen bestimmt die Politik Chiles gegenüber der indigenen Bevölkerung
Politische und rechtliche Stellung der betroffenen Indigenen
Zwei Gesetze zum Schutz der angestammten Rechte der Mapuche: Ley de los Pubelos Indígenas (1993) und Ley del Medio Ambiente (1994). Im Ley Indígena wird den Indigenen nicht der Status eines Volkes (im völkerrechtlichen Sinn) anerkannt; das Gesetz macht aber Landrückkäufe möglich. Durch eine Unterfinanzierung wird dieser Verpflichtung allerdings nicht nachgekommen. CONADI (1993), die Nationale Entwicklungsbehörde für Indianer, wird von diesen abgelehnt. ILO wurde nicht ratifizert. Die Sonderstellung von Indigenen wird in der Regierung kontrovers gesehen, Minderheitenrechte werden nur in abgeschwächter Form in der Indigenengesetzgebung gewährt.
Fallbeschreibung
Betroffenes indigenes Volk
10.000 zumeist Pehuenche-Mapuche in Mittelchile, am Bío Bío Fluß. Der Bío Bío Fluß liegt 500 km südlich von Santiago de Chile. Unter Pinochet wurde der Plan, den wasserreichen Fluss zur Energiegewinnung zu nutzen, forciert. 1988 wurde ENDESA, die chilenische Enegiebehörde, privatisiert. Diese setzt seit 1991 das Großprojekt am Bío Bío um, 1997 ging das erste Kraftwerk, Pangue, ans Netz. Der Ausbau der zweiten Staustufe, Ralco, war von massiven Protesten der Mapuche und internationaler Organisationen begleitet. Besonders bekannt wurde der langwierige Prozess der Pehuenche Schwestern Berta und Nicolasa Quintreman, die sich bis September 2003 vehement weigerten, ihr Land zu verlassen und für ihren gewaltfreien Protest 2000 mit dem Petra-Kelly Preis der Heinrich-Böll Stiftung ausgezeichnet wurden. 1999 wurde für den Ralco-Staudamm ein gerichtlicher Baustopp verhängt, da die CONADI in der veralteten Umweltverträglichkeitsprüfung für Pangue Unregelmäßigkeiten gefunden hatte. Daraufhin wurden die beiden Vorsitzenden der CONADI, die mit den Mapuche sympatisierten, entlassen. Vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission wurden ebenfalls Klagen eingereicht.Im Mai 2003 wurde der Baustopp durch einen anderen Richter wieder aufgehoben und im September desselben Jahres resignierten die letzten Pehuenche Familien und gaben ihr Land auf. Momentan (Stand: April 2004) wird Staustufe Zwei (Ralco) geflutet. Der Bau von vier weiteren Staustufen ist vorgesehen. Für das gesamte Bauvorhaben werden 22.000 Hektar Land überflutet und ca. 10.000 Menschen umgesiedelt.
beteiligte deutsche und europäische Firmen und Institutionen
Der erste Bauabschnitt wurde von der Internationalen Finanzkorporation (IFC), einem selbstständigem Organ der Weltbank, von Norwegen und Schweden und von europäischen Banken, u.a. der Deutschen Bank, der WestLB und der Dresdener Bank durch Kredite mitfinanziert. Gestützt durch Hermesbürgschaften lieferte AEG technische Ausrüstung. Multinationale Firmen wie Kvaerner Turbin AB, Voest-Alpine und ABB lieferten Turbinen hydromechanische Ausrüstung für den Bau.
Vorgefallene Menschenrechtsverletzungen
Militarisierung (Paramilitärs) der Region, um den Protesten gegen das Projekt Einhalt zu gebieten. Verstoß gegen das Ley Indígena (Indigene müssen bei Landverkäufen befragt werden). Zwangsumsiedlung der Betroffenen. Verlust kulturell-religiöser Orte durch die Flutung. Verlust des Stammlandes der Pehuenche
Verstoß gegen ILO-Konvention
Volle Auslebung der Kultur und Unversehrtheit der Werte ist nicht gewährleistet, da die Mapuche umgesiedelt werden und so den Bezug zu ihren Ahnen und ihrem Land verlieren (Verstoß gegen Artikel 2, 5 und 13). Verstoß gegen die Verfahrensnormen (Artikel 6 und 7). Betroffene wurden vorher nicht schriftlich konsultiert. Verkauf des Landes fand unter Ausüben von Druck statt. Verstoß gegen die Unveräußerlichkeit indigenen Landes an Nicht-Indigene. Während der Eskalation des Konflikts: Verstoß gegen Artikel 9 und 10; Mapuche wurden zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt, der traditionellen Gesetzgebung wurde nicht Rechnung getragen.
Internationale Beteiligung am Protest
Klage gegen IFC bei der Weltbank. Beschwerde vor der UN-Menschenrechtskommission. Klage vor dem Interamerikanischen Gerichtshof. Unterstützung von internationalen Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen. Ralco, die zweite Staustufe, wurde sogar von der Weltbank kritisiert.
Informationsgrundlage Quellen
Auswärtiges Amt, Memoranden der Gesellschaft für bedrohte Völker, International Rivers Network, MapuLink, FIDH, Mai 2003, ENDESA, Bedrohte Völker Nr.202, The Swedish Society for Nature Conservation, ILA Nr.215 Mai 1998,Berichterstatter
Helen Kupiainen / Sarah ScholzGesellschaft für bedrohte Völker
indigene@gfbv.de